Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Gütersloh e. V.

Der Radweg an der Brockhäger Straße im Abschnitt zwischen der B61 und der Kreuzung Haegestraße/Körnerstraße

Der aktuelle Bestands-Radweg an der Brockhäger Straße im Abschnitt zwischen der B61 und der Kreuzung Haegestraße/Körnerstraße. © Daniel Neuhaus

Geplantes Umbauprojekt: Brockhäger Straße in Gütersloh

In den nächsten Monaten plant die Stadt Gütersloh den Umbau eines Teilabschnitts der Brockhäger Straße in Gütersloh. Der ADFC hat dazu eine Stellungnahme erstellt.

Vorbemerkung: Die Stadt Gütersloh plant derzeit den Umbau der Brockhäger Straße (L 782) im Abschnitt zwischen der B61 und der Kreuzung Haegestraße/Körnerstraße. Am  19. Juni konnte ein Vertreter des ADFC Kreisverband Gütersloh die aktuelle Planung bei der Stadt Gütersloh einsehen und hat in der Folge diese Stellungnahme verfasst. Diese Stellungnahme hat der ADFC Kreisverband Gütersloh am 6. Juli 2024 an Vertreter der Stadt Gütersloh versandt und veröffentlicht diese hiermit heute. 

Einordnung der Umbaumaßnahme

Bei der L 782 handelt es sich um eine Verbindung mit erheblicher Bedeutung für den lokalen und überörtlichen Radverkehr. Der von der Baumaßnahme betroffene Abschnitt ist daher auch Bestandteil des Alltagsradwegenetzes im Kreis Gütersloh (Abschnitt STA022) und fällt mit einer Bewertung von 52 Punkten in die zweitwichtigste Netzkategorie 2. Ebenfalls ist der entsprechende Abschnitt Bestandteil des Radnetz OWL, einem Projekt der REGIONALE 2022 und Gewinner des Deutschen Fahrradpreises.

Grundsätzlich begrüßen wir, dass auf dieser für den Radverkehr wichtigen Strecken die Breite der Nebenanlagen erhöht werden soll und die auch von uns als kritisch eingestuften Zufahrten insbesondere zum Verbrauchermarkt „Minipreis Center“ und den benachbarten Einkaufsmärkten optimiert werden sollen. Ebenso ist vorgesehen, die Führungsform zu vereinheitlichen sowie einen Höhenwechsel bei Ein- und Ausfahrten zu meiden. Beides ist wichtig, um den Radverkehr komfortabler und auch sicherer zu machen.

Leider weist die Planung zum aktuellen Planungsstand jedoch auch erhebliche Mängel auf. Das Ausmaß der Mängel macht es aus Sicht des ADFC Kreisverband Gütersloh zwingend erforderlich, die komplette Planung von Grund auf zu überarbeiten. Diese Maßnahme darf in dieser Form nicht umgesetzt werden. Im Folgenden gehen wir auf die größten Mängel ein.

Führung des Radverkehrs als Hochbordanlage

Die Führungsform als Hochbordanlage ist für einen innerörtlichen Radweg mit vielen hochfrequentierten Ein- und Ausfahrten nicht geeignet. Radfahrende sind auf Hochbordanlagen einem deutlich erhöhten Unfallrisiko gegenüber Fahrbahnbenutzung ausgesetzt. Gemäß einer Untersuchung der Universität Lund ist das Unfallrisiko etwa dreifach so hoch gegenüber eines Radfahrstreifens auf Fahrbahnniveau oder gegenüber Mischverkehr. Ein häufiger Unfalltyp bei Hochbordanlagen ist die Kollision mit rechtsabbiegenden Kfz. Dieser tritt bei Fahrbahnführung deutlich weniger häufig auf.

Die Führung in Hochbordform bringt neben dem Sicherheitsaspekt auch Komforteinbußen mit sich, da hier an vielen Einmündungen Stoßkanten entstehen und zumindest bei vergangenen Baumaßnahmen auch häufig Änderungen am Höhenniveau bei Ein- und Ausfahrten gebaut wurden („Achterbahnfahrt“). Zusätzlich entstehen durch die einheitliche Höhe mit dem Gehweg Konflikte mit Zufußgehenden, die es auf dem betreffenden Abschnitt aufgrund der Einkaufsmärkte relativ zahlreich gibt.

Beabsichtigter Pflasterbelag

Der Planung entnehmen wird, dass Betonpflaster verbaut werden soll. Betonpflaster ist, egal ob in gefaster oder ungefaster Form, ungeeignet als Belag eines Radwegs. Durch das kleine Format entstehen Erschütterungen und der Energieaufwand beim Befahren ist deutlich größer als beim Einbau einer Asphaltoberfläche mittels Maschinenfertiger (Studie Umwelt- und Prognoseinstitut e.V.).

Das Regelwerk Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) spricht sich daher eindeutig für die Verwendung von Asphaltoberflächen und gegen Pflaster aus: „Der Einsatz von Pflaster- und Plattendecken aus Betonsteinen oder Klinkern ist wegen des fugenbedingt höheren Rollwiderstandes im Neubau sorgfältig abzuwägen.“ (ERA 2010, 11.1.2) sowie „Die benannten grundlegenden Anforderungen werden durch maschinell eingebaute Decken aus Asphalt insgesamt am besten erfüllt.“ (ERA 2010, 11.1.2).

Diese Erkenntnisse sind auch bei der Entwicklung der Qualitätsstandards für das Alltagsradwegenetz Kreis Gütersloh sowie das Radnetz OWL eingeflossen. Im Rahmen der AGFR hat der ADFC bereits mehrfach den Aspekt Oberfläche thematisiert, u.a. im Schreiben vom 10.07.2019 zum Umbau der Verler Straße. Verweisen möchten wir ebenfalls auf den ADFC-Bürgerantrag 171/2023.

Asphaltoberflächen lassen sich in hochwertiger Qualität auch mit durchgefärbtem Asphalt herstellen, was seit Jahrzehnten in den Niederlanden Standard ist und die kostspielige Verwendung von Markierungsfarbe deutlich reduziert. Siehe z.B. dieses Video: how asphalt ages.

Fehlende Breite

Der Radweg entlang der Brockhäger Straße fällt in die Netzkategorie 2 des Alltagsradwegenetzes. Für diese Kategorie ist eine durchgehende Regelbreite für die Führungsformen Richtungsradweg oder Radfahrstreifen mit 2,15 m vorgesehen, das für kurze Abschnitte zulässige Mindestmaß beträgt 2,00m. Das ERA-Mindestmaß beträgt ebenfalls 2,00m (ERA 2010, S. 25). Beide Maße verstehen sich zzgl. Sicherheitstrennstreifen. Die ERA sieht jedoch u.a. in folgenden Fällen eine Breite vor, die über 2,00 Meter hinaus geht:

  • im Verlauf von Hauptverbindungen des Radverkehrs
  • bei mittlerer bis hoher Nutzungsintensität im Seitenraum

Diese beiden Punkte sind bei der Brockhäger Straße sicherlich gegeben und daher darf davon ausgegangen werden, dass für Erreichung des ERA-Standards eine Breite der Radverkehrsanlage von über 2,00m notwendig ist.

In den Planungunterlagen ist die Breite nur mit ca. 1,60-1,80m vorgesehen inkl. Sicherheitstrennstreifen. Hierdurch ergibt sich eine sehr deutliche Unterschreitung der für das Alltagsradwegenetz vorgesehenen Qualitätsstandards und ebenfalls eine deutliche Unterschreitung des ERA-Mindestmaßes. Eine Unterschreitung des Mindestmaßes reduziert erheblich die Kapazität einer Radverkehrsanlage, reduziert den Fahrkomfort und erhöht die Unfallgefahren durch vermehrte Konfliktsituationen.

Anregung

Eine Umbaumaßnahme bleibt uns mehrere Jahrzehnte erhalten. Soll so wirklich die zukünftige Führung des Radverkehrs in Gütersloh aussehen? Dies ist einer Stadt unwürdig, die sich zertifizieren lassen hat als „Fußgänger- und fahrradfreundliche Kommune“.

Gerne bringen wir uns in eine Überarbeitung der Planung konstruktiv ein. Der ADFC kann sich so z.B. die für Gütersloh erstmalige Einführung einer sogenannten „Protected Bikelane“ an der Brockhäger Straße vorstellen. Der notwendige Straßenraum erscheint bei Verzicht auf die auf fast in voller Länge vorhandene „Mittelspur“ und gleichzeitiger Nutzung des Platzes der Bestands-Hochbordanlagen vorhanden zu sein. Im alltäglichen Verkehrsgeschehen wird die Mittelspur nur wenig von abbiegenden Kfz genutzt. Insbesondere erscheint dies sinnvoll, da die Führungsform „Protected Bikelane“ auch weiter stadtauswärts – dort unter Nutzung der Mehrzweckstreifen – weiterführen ließe.

Hinweisen möchten wir auch auf den Aspekt, dass die Brockhäger Straße eine von sieben Gütersloher Straßen ist, für die modellhaft der Straßenverkehrslärm ermittelt wurde. Gemäß der vom Land NRW veröffentlichten Lärmkartierung werden im betreffenden Abschnitt Lärmwerte von stellenweise über 75 dB(A) ermittelt. Der Auslösewert zur Durchführung von Maßnahmen wird demnach überschritten. Daher sollte auch die Umbaumaßnahme Aspekte aufweisen, die das Ausmaß des Straßenverkehrs und des davon ausgehenden Lärmniveaus reduziert. Eine gute Radverkehrsanlage kann in Kombination mit Reduzierung von Flächen für das Kfz einen Beitrag zur Absenkung des Geschwindigkeitsniveaus und damit des Lärmpegels bringen.

Kommunen können jetzt mehr Platz für den Radverkehr schaffen

Deutschland soll nach dem Willen der Bundesregierung bis 2030 ein attraktives Fahrradland mit durchgängigen Radwegenetzen, Radschnellwegen für Pendler und gut verfügbaren Fahrradabstellanlagen werden. Bisher verhinderte allerdings das veraltete Straßenverkehrsrecht diese Entwicklung, indem es Kommunen hohe bürokratische Hürden für die Umgestaltung des Straßenraums in den Weg stellte. Durch die kürzlich erfolgte Reform des StVG und jetzt der StVO können nun Radspuren und Fahrradparkplätze auf Fahrbahnen aus Gründen des Umwelt- oder Klimaschutzes, zum Schutz der Gesundheit oder zur Unterstützung der städtebaulichen Entwicklung eingerichtet werden. Bisher mussten solche Maßnahmen, die über den Richtlinien-Standard hinausgingen, mit der Verkehrssicherheit begründet und konnten oft nur an Unfallschwerpunkten umgesetzt werden. Lassen Sie uns die Chance nutzen und die Brockhäger Straße Abschnitt für Abschnitt fahrradfreundlicher machen!

Fazit

Die aktuell vorliegenden Informationen legen den Eindruck sehr nahe, dass die Belange des Radverkehrs nicht in ausreichendem Maß berücksichtigt wurden. Aus den angeführten Gründen kann der ADFC Gütersloh die bestehenden Umbauplanung für die Brockhäger Straße daher nicht mittragen und wir fordern die Stadt Gütersloh auf, den Abschnitt unter dem Aspekt des Stands der Technik und der Fahrradfreundlichkeit soweit wie möglich zu überplanen.

Die Einhaltung der in der ERA 2010 festgelegten Kriterien ist eine Voraussetzung dafür, dass Umbauten in Nordrhein-Westfalen finanziell vom Land gefördert werden. Diese Voraussetzung sieht der ADFC Gütersloh als nicht erfüllt an und die Umbaumaßnahme für den Radverkehr ist damit aus unserer Sicht nicht förderfähig.


https://gt.adfc.de/pressemitteilung/stellungnahme-umbauprojekt-brockhaeger-strasse-in-guetersloh

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